6 Fragen an einen Referendar

"Teilt eure Sorgen und Probleme mit Kolleginnen": Das empfiehlt Ryan Plocher, Lehrer im Vorbereitungsdienst an einer Gemeinschaftsschule in Berlin. Wir haben mit Ryan über die Erfahrungen seiner...

ersten 18 Monate als angehender Lehrer gesprochen. 

Ryan ist US-Amerikaner und wurde 1984 in Atlanta im Bundesstaat Georgia geboren. Seinen ersten Bachelor in Literaturwissenschaft machte er an der Emory University in Atlanta. Nach einem Jahr als Fremdsprachenassistent an der Gesamtschule Hardt bei Mönchengladbach entschied er sich dazu, in Deutschland zu bleiben und Lehrer zu werden.

An der Freien Universität in Berlin machte Ryan den Lehramtsbachelor und –master mit den Fächern Englisch und Politikwissenschaft. Derzeit ist er Lehrer im Vorbereitungsdienst an der Fritz-Karsen-Schule, einer Gemeinschaftsschule in Berlin-Neukölln. Im Dezember 2015 legt er die zweite Staatsprüfung für das Amt des Studienrates in Berlin ab. Seit Oktober 2013 ist er im SprecherInnenteam der Jungen GEW Berlin.

1. Wie hast du dich auf deinen Vorbereitungsdienst vorbereitet?

Gar nicht. Das Studium in Berlin war schon ziemlich praxisbezogen. Danach habe ich mich über die studienfreie Zeit gefreut. Man weiß vorher nicht, was auf einen zukommt. Von daher sollte man die Zeit zwischen Studium und Vorbereitungsdienst entspannt genießen. Bei mir hat sich das gelohnt.

2. Was macht dir am meisten Spaß im Vorbereitungsdienst?

Die Möglichkeit, ganz neue Methoden und neue Themen auszuprobieren. Ich rechne damit, dass ich später mit einer Vollzeitstelle nicht genug Zeit haben werde, zufriedenstellend Unterrichtsstunden von Grund auf zu entwickeln.

3. Was war am Anfang das Schwierigste und vielleicht auch Belastendste?

Ich wollte am Anfang gleich viel selbst unterrichten und habe das Hospitieren und die Ressourcen des Kollegiums unterschätzt. Ich habe stark dazu geneigt, selber das Rad neu erfinden zu wollen. Der Vorbereitungsdienst wurde viel leichter, als ich meine Fragen und Sorgen mit KollegInnen teilte, die oft viele Lösungen schon kannten.

4. Gab es schon mal einen Moment, an dem du ans Abbrechen gedacht hast?

Ich hatte mal einen kleinen Nervenzusammenbruch, als ich am Ende des Schuljahres eine Modulprüfung, einen Unterrichtsbesuch, die ganzen Noten sowie mehrere Projekte in Schule und Gewerkschaft gleichzeitig laufen hatte. Ich habe zwar nie an das Abbrechen gedacht, aber bin vor Überforderung fast krank geworden. Ich mache mir jetzt ganz klar, was für mich Pflichtprogramm ist, und was freiwillig gemacht werden kann. Ich achte außerdem auf ausreichend Sport und Entspannung.

5. Was würdest du neuen KollegInnen, die jetzt ihren Vorbereitungsdienst starten, für Tipps geben?

Die Hospitationen nie zu unterschätzen und die KollegInnen als Ressource für alles zu benutzen. Sie freuen sich oft, Unterrichtsentwürfe zu lesen oder schauen auch gerne mal in deinem Unterricht vorbei. Das sind auch für sie einsetzbare Materialien. Sie unterrichten die gleichen SchülerInnen und haben schon ein funktionierendes Klassenmanagement. Letzteres ist das, was vielen LehrerInnen im Vorbereitungsdienst am meisten Sorgen macht.

Man sollte auch ein wenig Zeit investieren, die Arbeit des gesamten pädagogischen Personals an der Schule kennenzulernen. Was machen eigentlich die SchulsozialarbeiterInnen, die Sonder- und SozialpädagogInnen, die SchulpsychologInnen und ErzieherInnen? Wenn man die Leute und ihre Arbeit kennt, kann man besser zusammenarbeiten. Ich persönlich habe so enorm viel über sogenannte Problemfälle in meinen Klassen sowie über inklusive Pädagogik und Gesprächsführung gelernt.

6. Warum ist es für dich wichtig, in einer Gewerkschaft zu sein?

Ich komme aus den Südstaaten der USA, wo es nie starke Gewerkschaften gab. Dort  haben die Lehrkräfte zu viel Angst um ihre Arbeitsplätze, um zu protestieren, wenn etwas in der Schulbildung schief geht. Und da läuft oft etwas schief.

Eine starke Bildungsgewerkschaft bedeutet für mich, dass BildungsarbeiterInnen mitreden können, wie Schulbildung abläuft. Die Politik soll nicht allein aufgrund der Meinung von "ExpertInnen" und Eltern entscheiden, was in der Schule passiert. Nur eine starke Gewerkschaft garantiert, dass Lehrkräfte und andere in der Schule tätige Menschen die Bildungspolitik beeinflussen können.